Europäische Aktien steigen auf 24-Jahres-Höchststände, DAX stellt neuen Rekord auf

Die europäischen Aktienmärkte setzten ihre Rallye am Freitag fort, wobei die Indizes großer Unternehmen ein Niveau erreichten, das seit über zwei Jahrzehnten nicht mehr erreicht wurde.

Die Anleger sind zunehmend optimistisch hinsichtlich weiterer Zinssenkungen durch die Europäische Zentralbank (EZB) und einer stärker als erwarteten Erholung in China, was dazu beigetragen hat, Bedenken hinsichtlich wirtschaftlicher Stagnation und geopolitischer Risiken auszugleichen.

Der Euro STOXX 50-Index, der die 50 größten Blue-Chip-Unternehmen der Eurozone abbildet, legte im Morgenhandel um 0,6 % zu und erreichte damit ein Niveau, das zuletzt im September 2000 erreicht wurde. Er steht nun vor einem vierten Anstieg in Folge.

Der deutsche DAX-Index stieg auf neue Rekordhöhen und trotzte damit dem breiteren wirtschaftlichen Hintergrund, der Europas größte Volkswirtschaft im zweiten Jahr in Folge in eine Rezession abrutschen ließ. Unterdessen stieg auch der italienische FTSE MIB-Index auf den höchsten Stand seit Ende 2007.

Warum erholen sich europäische Aktien trotz des wirtschaftlichen Gegenwinds?

Die europäischen Aktienmärkte schütteln die Sorgen über eine sich verlangsamende Wirtschaft, geopolitische Spannungen und Handelsrisiken ab, was auf mehrere Schlüsselfaktoren zurückzuführen ist:

  1. Zinssenkungen der EZB in Sicht

Angesichts des stagnierenden Wachstums setzen Anleger auf weitere Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank.

Eine Zinssenkung um 25 Basispunkte ist für die EZB-Sitzung am 30. Januar bereits vollständig eingepreist, weitere Lockerungen werden später im Jahr erwartet.

Niedrigere Zinssätze wirken sich tendenziell positiv auf Aktien aus, da eine Lockerung der finanziellen Bedingungen für Unternehmen ihr Wachstum verbessern könnte.

  1. Untergewichtige Positionierung löst einen Engpass aus

Europäische Aktien waren zu Beginn des Jahres 2025 von den Anlegern weitgehend untergewichtet.

Laut der Fondsmanagerumfrage der Bank of America vom Dezember 2024 war die Anlegerpositionierung in europäischen Aktien auf dem stärksten untergewichteten Niveau seit 2022, als die Region mit den wirtschaftlichen Folgen der russischen Invasion in der Ukraine zu kämpfen hatte.

Im Vergleich zu US-Aktien waren die Anlegerallokationen in europäischen Aktien so stark untergewichtet wie seit Juni 2012, dem Höhepunkt der Schuldenkrise in der Eurozone.

Eine solche extreme Positionierung schafft oft die Grundlage für starke Erholungen, da selbst leicht positive Nachrichten einen Nachfrageanstieg bei Anlegern auslösen können, die ihre Portfolios neu ausbalancieren möchten.

  1. Ein schwächerer Euro kurbelt die Exporte an

Der Euro ist unter 1,03 US-Dollar abgerutscht und hat den niedrigsten Stand seit November 2022 erreicht.

Ein schwächerer Euro verschafft exportstarken europäischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil, insbesondere in Sektoren wie Automobil, Industrie und Luxusgütern.

Seit dem Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im vergangenen November hat der Euro gegenüber dem Dollar um rund 6 % an Wert verloren.

Diese Abwertung könnte die Auswirkungen möglicher neuer US-Zölle auf europäische Waren ausgleichen. Sollte der Euro weiter schwächer werden, könnte dies sogar die Auswirkungen der von Trump vorgeschlagenen 10-prozentigen Zollerhöhung auf bestimmte europäische Importe neutralisieren.

Darüber hinaus hat der Euro auch gegenüber dem chinesischen Yuan an Wert verloren und den niedrigsten Stand seit April 2023 erreicht. Dies macht europäische Exporte nach China wettbewerbsfähiger und entlastet die Hersteller des Kontinents zusätzlich.

  1. Chinas Wirtschaft erholt sich schneller als erwartet

Eine der größten Überraschungen für Anleger war die Stärke der wirtschaftlichen Erholung Chinas, die in europäischen Aktien weitgehend nicht eingepreist war.

Chinas Bruttoinlandsprodukt wuchs im vierten Quartal 2024 im Jahresvergleich um 5,4 % und übertraf damit sowohl das Wachstum von 4,6 % im dritten Quartal als auch die Markterwartungen von 5,0 %. Dies war die stärkste jährliche Wachstumsrate seit 18 Monaten, angetrieben durch Konjunkturmaßnahmen, die seit September eingeführt wurden, um die Investitionen anzukurbeln und das Vertrauen wiederherzustellen.

Das Wachstum der Industrieproduktion erreichte im Dezember ein 8-Monats-Hoch, während die Einzelhandelsumsätze – ein wichtiger Indikator für die Verbrauchernachfrage – im Jahresvergleich um 3,7 % stiegen und damit über den Erwartungen von 3,5 % lagen.

China ist ein wichtiger Exportmarkt für die europäische Industrie, insbesondere für den deutschen Automobilsektor, Luxusmarken aus Frankreich und Italien sowie Maschinenhersteller. Eine stärker als erwartete Konjunkturerholung in China bedeutet eine höhere Nachfrage nach europäischen Gütern und gibt den Aktien weiteren Rückenwind.

Ausblick: Kann die Rallye anhalten?

Während europäische Aktien auf einer Welle des Optimismus reiten, bleiben Risiken am Horizont.

Die bevorstehenden deutschen Bundestagswahlen im Februar könnten zu politischer Unsicherheit führen und möglicherweise die Marktstimmung beeinträchtigen.

Gleichzeitig sind die Energiepreise gestiegen: Rohöl der Sorte Brent stieg im vergangenen Monat um 10 %, und die Erdgaspreise stiegen seit Mitte September um 40 %. Dies stellt eine Herausforderung für die energieabhängigen Industrien Europas dar, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe und in der Schwerindustrie.

Geopolitische Spannungen bleiben ebenfalls eine Bedrohung, da Bedenken hinsichtlich möglicher neuer US-Zölle unter der Regierung von Donald Trump bestehen. Wenn die Zölle auf wichtige europäische Exporte wie Maschinen und Arzneimittel abzielen, könnten sie die Unternehmensgewinne dämpfen und die Anlegerstimmung belasten.

Trotz dieser Herausforderungen werden die Märkte durch die Aussicht auf Zinssenkungen, einen schwächeren Euro, der die Wettbewerbsfähigkeit der Exporte stärkt, und eine stärker als erwartete Konjunkturerholung in China gestützt.

Derzeit scheinen diese Faktoren eine solide Grundlage für europäische Aktien zu bilden, doch die Volatilität könnte erneut auftreten, wenn in den kommenden Monaten makroökonomische oder politische Risiken eintreten.